Auch wenn ein Großteil der zahnärztlichen Leistungen gemäß § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz als Heilbehandlungen steuerbefreit sind, ist der selbstständige Zahnarzt als Unternehmer von der Steuersatzänderung betroffen.
Die Bundesregierung hat überraschend und sehr kurzfristig beschlossen, die Mehrwertsteuersätze von 19 auf 16 Prozent bzw. von 7 auf 5 Prozent zu senken. Die Änderung gilt befristet für die Zeit vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2020. Bundestag und Bundesrat haben die Änderungen am 29.6.2020 beschlossen.
Wichtig zu wissen ist, wann eine Leistung eigentlich erbracht ist, denn davon hängt der anzuwendende Steuersatz ab. Auf den Zeitpunkt der Rechnungstellung oder der Bezahlung kommt es hingegen nicht an.
Bei Ausgangsrechnungen heißt das:
• Prothetische Arbeiten sind Werkleistungen und enden mit Vollendung des Werkes (Übergabe und Abnahme). Die Abnahme von Zahnprothetik erfolgt in der Regel bei Eingliederung.
• Generell sind Dienstleistungen mit Abschluss der Arbeiten erfüllt.
• Dauerleistungen sind an dem Tag erbracht, an dem der vereinbarte Leistungszeitraum endet.
• Lieferungen sind in der Regel erbracht, wenn sie der Kunde die Ware abholt oder bei Versand mit Übergabe an den Paketdienst (die Verschaffung der Verfügungsmacht).
Bei Eingangsrechnungen heißt das:
• Bei Geräte- oder anderem Leasing: Teilleistungszeitraum ist hier in der Regel der Monat oder das Vierteljahr.
• Reparaturleistungen sind bei Beendigung mit ihrer Abnahme fertig gestellt.
• Energie: Die Leistung ist erst mit dem Ende des Ablesezeitraums erbracht, danach richtet sich die Umsatzsteuer.
Versicherungen: Bei Versicherungen ändert sich nichts. Versicherungen unterliegen der Versicherungssteuer. Diese wird gerne mit der Umsatzsteuer verwechselt. Sie ist ebenfalls eine sog. Verkehrssteuer und ist in vielen Versicherungssparten zufällig so hoch wie die Umsatzsteuer bisher (19%), beruht aber auf einem eigenen Steuergesetz (Versicherungssteuergesetz). Hier erfolgt keine Absenkung.
Material, das vor der Absenkung mit dem höheren Steuersatz eingekauft wurde, muss bei Einsatz bei umsatzsteuerpflichtigen Leistungen nach der Absenkung mit dem niedrigeren Steuersatz an die Patienten berechnet werden.
Gestaltungs-Tipp: Es bietet sich möglicherweise an, Materialeinkäufe und steuerbare Wartungen/Reparaturen im zweiten Halbjahr 2020 vorzunehmen, um von der Umsatzsteuer-Absenkung zu profitieren. Besonders profitieren könnten Sie von der Absenkung, wenn Sie geplante größere Investitionen, z.B. in eine Behandlungseinheit, in das 2. Halbjahr 2020 legen.
Soweit die Zahnarztpraxis umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt, betrifft Sie die Steuersatzänderung nur, wenn Sie bisher schon Umsatzsteuer ausweist und nicht der Kleinunternehmerregelung (bis 22.000 EUR umsatzsteuerpflichtiger Umsatz) unterliegt und aus diesem Grund keine Umsatzsteuer ausweisen braucht.
Wenn Sie umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringen, spielt, wie erwähnt, der Zeitpunkt der Rechnung keine Rolle. Das heißt, wenn Sie ab dem 1.7. noch Rechnungen schreiben für bis zum 30.6. erbrachte Leistungen, so sind die bisherigen Steuersätze 7%/19% anzuwenden. Ebenso gilt für Anfang 2021 zu schreibende Rechnungen, die sich auf Leistungen des zweiten Halbjahres 2020 beziehen, noch der niedrigere Steuersatz.